ETHIK - CHARTA ZUM KULTURTOURISMUS

Die in dieser Ethikcharta zum Kulturtourismus von der 2. Mittelmeerkonferenz über Archäologietourismus in Paestum vom 5.11.1999 bzw. dem Europäischen Observatorium über Kulturtourismus in Ravello am 13.4.2000 aufgestellten Kriterien bezwecken keineswegs, Institutionen oder Personen Vorschriften aufzuerlegen. Sie wurden mit dem Ziel entwickelt, universelle Prinzipien hervorzuheben, die geeignet sind, Reisegewohnheiten zu fördern, weiche den Kriterien entsprechen, denen der Kulturtourismus folgen sollte. Zudem möchten diese Kriterien alle Beteiligten dazu ermuntern, verantwortungsbewusst zu handeln. Diese Charta stützt sich auf Konventionen, Empfehlungen und Richtlinien, die anlässlich verschiedener offizieller Veranstaltungen formuliert wurden. Sie richtet sich an internationale und nationale Organisationen sowie an vor Ort tätige Unternehmen. Aufgrund der ständig wachsenden Zahl von Touristen und des entsprechenden Trends zur Vereinheitlichung des Phänomens besteht ein dringender Handlungsbedarf, um sich der Fragen anzunehmen, die sich im Zusammenhang mit qualifiziertem Fremdenverkehr und dem Schutz des kulturellen Erbes eines Landes vor Missbrauch und Übernutzung ergeben.

Es müssen also Wege und Mittel gefunden werden, den Zugang zum kulturellen Erbe derart einzuschränken, dass das Bewusstsein über das vielfältige Wesen des kulturellen Erbes gefördert wird unter gleichzeitiger Entwicklung verträglicher' Fremdenverkehrsmethoden, die das ökologische Gleichgewicht nicht gefährden.

DER KULTURELLE CHARAKTER DIESES ERBES

Das kulturelle Erbe eines Landes ist das Ergebnis seiner geschichtlichen und künstlerischen Entwicklung und als solches nachgerade der Hüter seiner Identität.

Dieses Erbe besteht aus - materiellen und immateriellen - Gütern, die dank ihrem Bezug zur Geschichte, Kunst und ganz allgemein zur Kultur einer Gemeinschaft nicht nur von den Bräuchen und Traditionen dieses Landes Zeugnis ablegen, sondern auch - und ganz besonders - von seinen geistigen Ursprüngen. Die Institutionen oder privaten Organisationen, die diese Güter verwalten, sind daher dazu aufgerufen, die diesbezüglichen Erkenntnisse durch die Verbreitung von nützlichem Informationsmaterial einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

SEIN UNIVERSELLER CHARAKTER

Da Kulturgut von universellem Wert ist und das Erbe der ganzen Menschheit darstellt, hat die allgemeine Öffentlichkeit ein Interesse daran, dafür zu sorgen, dass es geschützt wird und die bestmögliche Verwendung findet.

Künstlerische und kulturelle Erzeugnisse stellen einen wesentlichen Bestandteil der komplexen Geschichte der Zivilisation dar, selbst wenn sie Ausdruck 'spezieller' Eigenheiten einer einzelnen Bevölkerungsgruppe sind. Gleichzeitig heben Kulturgüter gemeinsame Eigenschaften hervor, die völkerverbindend wirken und die Entstehung einer kosmopolitischen Gemeinschaft fördern.

KULTURTOURISMUS

Fremdenverkehr, der das kulturelle Erbe in den, Mittelpunkt stellt, steht in Verbindung mit der Zivilisation, die dieses Erbe geschaffen hat, Er stellt eine Begegnung mit einer neuen und oft andersartigen Kultur dar, erweitert das Wissen und das Bewusstsein und führt zu einer persönlichen Bereicherung.

Das Recht des Individuums auf Freizeit und auf die freie Verfügung darüber ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 24) verankert und trägt zur Entwicklung der Persönlichkeit bei, Es liegt im allgemeinen Interesse, dass alle Formen von heutzutage 'praktiziertem Fremdenverkehr vermehrt kulturelle Beziehungen herstellen sollten. Die Möglichkeiten des kulturellen Erbes voll ausschöpfen heißt mehr als einfache Kontakte mit Dingen oder Ereignissen herstellen; sie bietet vielmehr Gelegenheit sich neue Kenntnisse anzueignen oder bestehende Kenntnisse zu erweitern. Kulturtourismus ist daher nicht in erster Linie eine Einnahmequelle, sondern ein Mittel zur geistigen Bereicherung.

FREUNDSCHAFT UND SOLIDARITÄT

Das kulturelle Erbe dient als Vehikel für den Aufbau von zwischenmenschlichen Beziehungen und von Solidarität zwischen Völkern.

Kulturtourismus führt Menschen aus aller Weit mit Gemeinschaften unterschiedlicher Abstammung und unterschiedlicher kultureller Herkunft zusammen. Durch die Pflege von Freundschaft und verbesserten Beziehungen wird daher der Kulturtourismus eine Grundvoraussetzung für das Wachstum innerhalb der lokalen und internationalen Gemeinschaften. Kulturtourismus trägt bei zur Solidaritäts- und Friedensbildung.

VORRANG DES KOLLEKTIVEN INTERESSES

Kulturtourismus muss sich auf reibungslose Art und Weise abspielen und die Besitz- und Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des entsprechenden Gutes strikt respektieren. Eine Gefahr, der in diesem Zusammenhang aktiv entgegengetreten werden muss, besteht darin, dass sich der Fremdenverkehr zu einem reinen Geschäft entwickelt, das mit der Erhaltung des Kulturgutes im Konflikt steht.

Die universelle Bedeutung von Kulturgütern verpflichtet deren Eigentümer oder Besitzer, deren Nutznießung im Rahmen der allgemein anerkannten Vorschriften zu erleichtern. Wenn kulturelles Erbe für den Fremdenverkehr freigegeben wird, geschieht dies unter der 9rundsätzlichen Annahme, dass seine Integrität gewahrt bleibt. Demzufolge wird von Fremdenverkehrsanbietern erwartet, dass sie ihre Ziele, Mittel, Geschäftsmethoden und ihr Verhalten diesen Bedürfnissen anpassen.

FREMDENVERKEHR UND KULTUR

Eine weitere Voraussetzung für eine korrekte Beziehung zwischen Fremdenverkehrsaktivitäten und Kulturgut besteht darin,_ dass alle daran beteiligten Personen fachgerecht ausgebildet und in der Loge sind, der allgemeinen Öffentlichkeit angemessene Informationen zu vermitteln sowie den besonderen Wert dieses Erbes zu würdigen.

Kulturgüter sind nicht einfach wirtschaftliche Ressourcen und ihre Nutzung kann nicht gleichgesetzt werden mit der Verwendung eines Alltagsgegenstands. Die Besitzer und Verwalter der Güter, die das kulturelle Erbe eines Landes ausmachen, die Verwaltungsorgane der entsprechenden Institutionen, alle, die für Wirtschaftsplanung verantwortlich sind, Fremdenverkehrsanbieter sowie die Anrainer solcher Kulturgüter werden dazu aufgerufen, sich der Einzigartigkeit, des Werts und der Unnachahmbarkeit solcher Werke bewusst zu werden und die Auswirkungen des Fremdenverkehrs in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Dieses Ziel wird nur erreicht werden, wenn geeignete Ausbildungsprogramme geschaffen werden, damit sich die Beteiligten zusätzlich zu einer angemessenen beruflichen Qualifikation ein ausreichendes Urteilsvermögen und zweckmäßige Verhaltensregeln aneignen können. Touristen ihrerseits muss vollumfänglich bewusst gemacht werden, welche kulturellen Implikationen jegliche Annäherung an ein Kulturgut hat und wie wichtig es ist, dessen ganze Bedeutung zu begreifen, nützliche Informationen darüber zu gewinnen und nutzbringende Lehren daraus zu ziehen. Die kulturelle Seite des Fremdenverkehrs soll nicht ein passives Erlebnis sein oder dem Zufall überlassen werden, sondern muss ein mit Absicht verfolgtes Ziel darstellen, Ein Tourist, der Interesse daran zeigt, die wahre Bedeutung eines Kulturgutes schätzen zu lernen, wird nicht nur dessen richtige Nutzung gewährleisten und dessen Botschaft weiterverbreiten, sondern auch dessen Besitzern von Vorteil sein.

INFRASTRUKTURELLE ANFORDERUNGEN

Kulturtourismus erfordert professionelle Standards im Gastgewerbe bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Bedürfnisse der einheimischen Gemeinschaften.

Kulturgüter propagieren heißt ganz bestimmte Kategorien von Touristen anziehen; dies wiederum bedeutet, dass Unterkunftsmöglichkeiten garantiert den versprochenen Normen und dem Stil dieses Fremdenverkehrssektors entsprechen müssen. Es wird deshalb notwendig sein, zusätzlich zu einer ausreichenden Information eine genügende Anzahl von qualitativ hochstehenden Übernachtungsmöglichkeiten sowie weitere Dienstleistungen bereitzustellen und dies ohne jegliche Diskriminierung. Besucher ihrerseits müssen sich nicht nur der Eigenheit der Bräuche und Gewohnheiten des Besuchslandes, sondern auch dessen einzigartiger Kultur bewusst werden. Insbesondere müssen die Traditionen, religiösen Überzeugungen und moralischen Grundsätze seiner Bewohner anerkannt werden.